Was war Ihre Motivation, dieses Buch zu schreiben, Frau Pientka? 

Ich erlebe bei meinen Klientinnen und Klienten, die als Führungskräfte in allen Branchen tätig sind, eine deutlich spürbare Mehrfachbelastung, die manche an den Rand der physischen oder psychischen Erschöpfung führt. Mit meinem Buch möchte ich praxisnahe und schnell umsetzbare Hebel für einen Arbeitsstil anbieten, den man als “regenerativ” oder “krafterhaltend” bezeichnen kann.  

Der Stil des Buches ist sehr motivierend. Sind Sie so positiv gestimmt? 

Ich sehe es so, dass wir in der Arbeitswelt große Aufgaben zu bewältigen haben: Transformation, Digitalisierung, Kulturwandel, Generationenverständnis von Arbeit. Wären wir im Sport, könnte man sagen: Viele relevante Wettkämpfe stehen an, mit viel Raum zu gewinnen, aber auch zu verlieren. In einigen Bereichen hinken wir derzeit wirtschaftlich eher hinterher. Im Fußball würde man sagen: Zur Halbzeit ein paar Tore Rückstand. In meiner beruflichen Rolle verstehe ich mich als eine Art sportlicher Teamcoach. Dabei spielen Vertrauen, Motivation, man kann es auch Spirit nennen, eine große Rolle. Um naives Blabla oder peinliches Tschakka geht es mir aber nicht.  Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir in der Lage sind, enorm viel zu erreichen, wenn wir auf bestimmte Faktoren achten. In der eigenen Mitte und Kraft zu bleiben, ist die Basis für alles. Nur ein körperlich und mental stabiler Sportler:in kann sich behaupten. Das gilt auch für Führungspersönlichkeiten und Menschen, die viel Verantwortung tragen. 

Unter Selfcare versteht man oft Wellness, Ayurveda, Yoga oder Meditation. In Ihrem Buch kommen diese Aspekte so gut wie gar nicht vor. Warum nicht? 

Wer sich intensiv mit diesen Themen beschäftigen möchte, findet in zahlreichen Büchern oder Podcasts sehr gute Informationen. In meinem Buch geht es mir um die Ebene tiefer, die ich Selfcare Next Level nenne. Ich werde nur dann langfristig gesunde Strategien beibehalten, wenn ich mit mir selbst in gutem Kontakt bin und nicht, weil „man das so machen sollte“. Und diese Fähigkeit, sich selbst in seinen Bedürfnissen und Grenzen gut wahrzunehmen, das ist gar nicht so einfach in einer Welt, die so viele Anforderungen von außen mit sich bringt. Diese Selbstwahrnehmung, die wir in unserem Institut Sensorship nennen, ist unerlässlich. 

Was verbirgt sich hinter diesen sieben Strategien? 

Die sieben Strategien kann man sich wie die Speichen eines reibungslos funktionierenden Rades vorstellen. Die Strategien funktionieren nur, wenn man sie sich als Gesamtsystem vorstellt. Wenn auch nur eine Speiche des Rades defekt ist, dann läuft das Rad nicht rund. Als Beispiel:  Ich spreche von der Strategie der mentalen Hygiene im Kapitel „Haltung“. Unser Denken und Fühlen kann manchmal in ein verzerrtes Durcheinander geraten. Zu viel Stress ist ein bekannter Auslöser dafür, dass wir nicht nur körperlich in den Fight-and-Flight-Modus verfallen, sondern auch mental geraten wir in „Unordnung“. Man ist dann im „Drama-Self-Modus“, wie ich es nenne. Mentale Hygiene bedeutet, diesen Zustand bei sich selbst wohlwollend zu erkennen und sich daraus zu befreien. Wer hier seine Hebel kennt und ansetzen kann, spart enorm viel Energie. Allerdings reicht diese situative Hilfe nicht aus, wenn ich in einem Job stecke, der überhaupt nicht zu mir und meinen Werten passt.  Ich sollte zusätzlich darauf achten, dass ich im richtigen Arbeitsumfeld und in der richtigen Rolle bin, sonst hilft mir die mentale Hygiene auf Dauer nicht weiter. Es braucht also mehrere, ich behaupte sieben ineinander spielende Faktoren, die es zu beachten gilt. Selfcare Next Level steht für eine intensive und freudvolle Selbstreflexion und den Mut, sein (Arbeits-) Leben immer smarter danach auszurichten. 

Eine kritische Frage: Können Führungskräfte überhaupt viel selbst bestimmen? Sind es nicht vor allem unbeeinflussbare Faktoren wie Zeitdruck, Aufgabenfülle, Strukturschwächen, die Führungskräfte stressen?  

Es gibt viele strukturelle Stressoren in unserer Arbeitswelt, keine Frage. Aus der Perspektive von Selfcare Next Level empfehle ich dennoch jedem Einzelnen, für sich selbst genau zu prüfen: Was kann ich an Unwägbarkeiten akzeptieren, weil ich sie in Relation zu anderen wichtigen Gütern empfinde? Was kann ich gerade als Leader:in beherzt verändern und wo sollte ich aus Selbstschutz ein System verlassen? Nur starke, motivierte Leader:innen können auch an der Veränderung von Systemen arbeiten. Dazu braucht es einen langen Atem. Und hier sind wir wieder bei der Frage: Wofür und in welchem Kontext kann und will ich mich einsetzen, wenn ich mir selbst treu bleibe?

Danke für das Gespräch, liebe Frau Pientka