Die Wichtigkeit der seelischen Gesundheit wurde lange Zeit vernachlässigt, rückt in den letzten Jahren jedoch immer weiter in den Vordergrund. In der WHO wird Gesundheit als „Zustand vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit oder Gebrechen“ definiert. Dies wird vor allem in Anbetracht der ansteigenden Zahl von Krankschreibungen interessant. Neben den Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems sind psychische Krankheiten der zweithäufigste Grund für Arbeitsausfälle in Deutschland.
Vor diesem Hintergrund werden Fragen nach der seelischen Gesundheit der Menschen laut. Wie lässt sie sich einordnen, durch welche Faktoren wird sie beeinflusst und wie kann sie gepflegt werden?
Definition: Seelische Gesundheit
Synonyme, die in diesem Zusammenhang häufig genannt werden, sind die Psyche und der Geist. Doch was umfasst die seelische Gesundheit und in welchen Aspekten hebt sie sich von der geistigen Gesundheit und der psychischen Gesundheit ab?
Der Begriff „Psyche“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Seele. Ursprünglich sind die Begriffe somit durchaus als Synonym zu verwenden. Doch im Laufe des 20. Jahrhunderts gelangte der Begriff nach Deutschland und wurde vor allem in Form der „Psychologie“ verwendet. Das Wort „Seele“ kann deshalb heute nicht mehr mit dem Begriff „Psyche“ gleichgesetzt werden. Die Psychologie ist eine Wissenschaft, die sich mit den menschlichen Emotionen und Gedanken beschäftigt. Als Wissenschaft geht sie nüchtern vor. Das Wort „Seele“ hat hingegen stets einen gefühlsbetonten Beiklang. Ein weiteres Synonym ist „Geist“, welches die mentalen und intellektuellen Fähigkeiten eines Menschen umfasst.
Aus wissenschaftlicher Sicht sind die drei Begriffe nicht gleichzusetzen. Und auch im täglichen Sprachgebrauch werden sie unterschieden. Dies fällt besonders bei der Verwendung von Sprichwörtern auf. Betrachten wir das Sprichwort: „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“, so würde niemand auf die Idee kommen, stattdessen die Begriffe „Psyche“ oder „Seele“ zu verwenden. Die Unterschiede sind jedoch so gering, dass es keine allgemeingültigen Definitionen gibt, die sie endgültig voneinander abheben. In Verbindung mit den Themenbereichen „Gesundheit“ und „Krankheit“ werden sie deshalb sehr oft als Synonyme verwendet.
Die seelische Gesundheit ist ein wichtiger Baustein für das allgemeine Wohlbefinden
Die WHO misst der seelischen Gesundheit eine wichtige Rolle zu.
Es gibt keine Gesundheit ohne psychische Gesundheit
Dieser Satz zeigt, wie wertvoll die psychische Gesundheit eines Menschen ist. Es ist deshalb unmöglich, die Gesundheit eines Menschen nur auf seinen physischen Zustand zu stützen. Über einen sehr langen Zeitraum hinweg wurden Psyche und Körper jedoch getrennt voneinander beobachtet. Die neue Auffassung erkennt jedoch, dass der Mensch eine Einheit aus Seele und Physis bildet. Diese beiden Komponenten beeinflussen sich gegenseitig. Es kommt zu Wechselwirkungen, die von der Wissenschaft weitestgehend noch nicht ausreichend erforscht sind. Sie lassen sich jedoch anhand sehr anschaulicher Beispiele beschreiben.
Bekommt eine Person eine einschneidende Diagnose, beispielsweise die einer Krebserkrankung, so führt dies in den meisten Fällen zu einem Einbruch des seelischen Gleichgewichts. Hormonstörungen gehen häufig mit psychischen Erkrankungen einher und bei einer Angststörung hat die betroffene Person mit schwitzenden Händen und Herzrasen zu kämpfen.
Die Seele eines Menschen beeinflusst seine Emotionen und somit automatisch sein Verhalten. Die psychische Gesundheit ist die Grundlage für einen gesunden Umgang mit dem sozialen Umfeld.
Welche Risikofaktoren können die seelische Gesundheit beeinträchtigen?
Das emotionale Gleichgewicht, welches langfristig die Basis für die psychische Gesundheit ist, wird durch innere und äußere Einflüsse unterbrochen.
- Erbliche Veranlagung: Psychische Krankheiten werden zum Teil erblich an die Kinder weitergegeben. Betroffen sind besonders schizophrene und affektive Störungen. Die erbliche Veranlagung bedeutet nicht, dass ein Kind eine solche Krankheit auf jeden Fall bekommen wird. Sie kann jedoch in Kombination mit anderen Faktoren als Katalysator fungieren.
- Selbstbild und Selbstvertrauen: Ein mangelndes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und den eigenen Wert steigern die Wahrscheinlichkeit einer Depression oder einer sozialen Phobie. Das Selbstbild einer Person wird zum Teil durch ihre Veranlagung und ihre Persönlichkeit, zu einem anderen Teil jedoch auch durch Erlebnisse beeinflusst.
- Beschäftigung mit komplexen Fragen: Introvertierte Menschen, die sich beispielsweise sehr viel mit der Frage nach dem Sinn des Lebens beschäftigen, neigen zu Melancholie und emotionalem Ungleichgewicht. Sie hinterfragen die Prozesse in ihrem Leben und können sich mit den Geschehnissen nicht abfinden. Es kann bei einer solchen Person unter Umständen schneller zu einer Depression oder einer anderen Krankheit kommen als bei Menschen, die pragmatischer veranlagt sind und ihr Umfeld weniger stark analysieren.
Neben den inneren Einflüssen wird die seelische Gesundheit eines Menschen durch zahlreiche äußere Faktoren beeinflusst:
- Soziales Umfeld / Bindungspersonen: Das Verhältnis zu den Eltern und Großeltern, sowie zu den Geschwistern, Tanten und Onkels hat einen großen Einfluss auf die emotionale Stabilität eines Menschen. Diese Personen formen beispielsweise das Weltbild, die Einstellung zum Leben, die Zielsetzung oder die Beziehungen zu anderen Menschen. Wer eine funktionierende Familie hat, verfügt über eine stabile Basis, um selbstständig ins Leben zu treten und seine eigenen Vorstellungen umzusetzen. Personen, die bei ihren Eltern weder Liebe noch Bestätigung erfahren haben, können große Selbstzweifel entwickeln.
- Beziehungen: Unter diesem Faktor werden beispielsweise freundschaftliche Beziehungen und Liebesbeziehungen zusammengefasst. Ein enges soziales Umfeld gibt Rückhalt und Kraft. Man hat die Möglichkeit, sich auszutauschen und seine Gedanken, aber auch seine Sorgen zu äußern. Wenn man über ein solides Netz an Beziehungen verfügt, geht man gestärkt und mutig durchs Leben. Das Wegbrechen einer wichtigen Beziehung kann hingegen große Auswirkungen auf die Psyche haben.
- Schule/Arbeitswelt: Bestätigung, Wertschätzung und Respekt von den Mitmenschen stärken das emotionale Gleichgewicht einer Person. Wenn man in der Schule oder bei der Arbeit täglich gegen respektloses Verhalten vorgehen muss und nicht wertgeschätzt wird, wirkt sich dies negativ auf die Psyche aus. Es ist mitunter sehr schwer, diese Konfliktpunkte durch andere, positive Erlebnisse aufzuwiegen. In der Schulzeit befinden sich Kinder und Jugendliche in einer Phase, in der sie durch ihr Umfeld stark geprägt werden. Negative Erfahrungen können weitreichende Folgen haben und Phobien oder Ängste hervorrufen, welche die betroffene Person noch mehrere Jahre lang begleiten.
Seelische Krankheiten werden immer häufiger verzeichnet, aber warum?
Die geistige Gesundheit eines Menschen gerät aus dem Gleichgewicht, wenn ein oder mehrere Faktoren aufeinandertreffen. Wenn eine Person, die eine erbliche Veranlagung zu psychischen Krankheiten hat, mit dem Verlust eines wichtigen Menschen kämpfen muss, gerät ihr emotionales Gleichgewicht aus den Fugen. Hat sie ein großes Selbstvertrauen, so kann sie das Gleichgewicht möglicherweise nach einigen Tagen wieder herstellen. Bei einem niedrigen Selbstvertrauen kann es jedoch sein, dass dieses emotionale Ungleichgewicht noch über mehrere Wochen mitgeschleppt wird und sich eine psychische Krankheit entwickelt. Es treffen mehrere Faktoren aufeinander, die bei jedem Menschen und in jeder Lebensgeschichte anders kombiniert werden. Die Variablen, deren Kombination zu der Entwicklung einer solchen Erkrankung geführt haben, können oft erst im Nachhinein benannt werden.
Psychische Krankheiten waren lange ein Tabu-Thema. Dies hatte zur Folge, dass für Krankschreibungen beispielsweise andere Gründe angegeben wurden. Eine Person mit einer sozialen Phobie ging zum Hausarzt und ließ sich wegen eines grippalen Infekts krankschreiben. Die Statistiken zeigen hingegen, dass im letzten Jahrzehnt zunehmend psychische Erkrankungen als Grund für einen Arbeitsausfall genannt werden. Dies kann auf zwei Entwicklungen zurückgeführt werden. Zum einen werden seelische Erkrankungen immer häufiger thematisiert. Zum anderen treten sie vermehrt auf.
Corona gefährdet die seelische Gesundheit
Plötzliche, starke Veränderungen bringen stets auch ein Ungleichgewicht mit sich. Die Corona-Pandemie hat wichtige Bereiche des Lebens verändert – von einem Tag auf den anderen. Es blieb keine Zeit, um sich langsam an einen neuen Lebensrhythmus zu gewöhnen. Keine Möglichkeit, um Prozesse zu organisieren und Abläufe zu optimieren. Von heute auf morgen wurden soziale Kontakte eingestellt, was große Auswirkungen auf die emotionale Ebene der Menschheit hat. Denn der Mensch ist ein Wesen, das soziale Strukturen benötigt. Isolation führt zu psychischen Ungleichgewichten, die sich zu Krankheiten entwickeln können. Die Zusammengehörigkeit, die am Arbeitsplatz besteht, entfällt im Homeoffice weitestgehend. Es fällt schwerer, sich mit dem Unternehmen zu identifizieren und die Produktivität wird dadurch deutlich gemindert. Hinzu kommt die zusätzliche Belastung. Im Homeoffice zu arbeiten und nebenbei den Haushalt zu organisieren, sowie die Schulbildung der Kinder im Homeschooling zu organisieren, verlangt nach übermenschlichen Kräften und Fähigkeiten. Das Konfliktpotenzial ist sehr groß. Hinzu kommt die Überlastung von Menschen, die im Gesundheitssektor arbeiten, sowie die Unsicherheit, die in anderen Jobs herrscht.
Die seelische Gesundheit muss täglich gepflegt werden
Die Hygiene der Psyche ist überaus wichtig, wird von vielen jedoch weiterhin vernachlässigt. Warum sind Menschen dazu bereit, auf den Konsum von Zigaretten zu verzichten, um ihre Lungen zu schützen? Warum ernähren sie sich ausgewogen, um Diabetes, sowie Herz-Gefäß-Krankheiten vorzubeugen? Warum gehen sie mehrmals im Jahr zum Zahnarzt, um die Gesundheit der Zähne überprüfen zu lassen?
Warum wird all dies getan, während gleichzeitig Symptome eines psychischen Ungleichgewichts geflissentlich ignoriert werden?
Müdigkeit, Stimmungsschwankungen und Rückenschmerzen, sowie andere Beschwerden, können psychische Ursachen haben. Die komplexen Wechselwirkungen zwischen Körper und Psyche sind noch lange nicht ausreichend erforscht, um voreilige Schlüsse ziehen zu können. Eines steht jedoch fest: die psychische Gesundheit muss ebenso gepflegt werden, wie der Körper. Ähnlich, wie man täglich dreimal die Zähne putzt und regelmäßig zur Prophylaxe geht, um die Gesundheit der Zähne sicherzustellen, muss auch mit der Psyche verfahren werden. Mit dieser seelischen Hygiene sollte begonnen werden, bevor es ein akutes Problem in Form eines Ungleichgewichts gibt. Die Möglichkeiten, die Ihnen zur Verfügung stehen, sind weit gefächert.
Diese 10 Tipps fördern Ihre seelische Gesundheit
- Stressmanagement: Stress ist im Zusammenhang mit psychischen Krankheiten ein häufig unterschätzter Katalysator. Aus diesem Grund sollten Sie unbedingt ein bewusstes Stressmanagement in Ihren Alltag einbauen.
- Kreativität: Ganz gleich, welcher Kunstbereich oder welches Hobby Sie interessieren, lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf, um Stress abzubauen und Ihren Gedanken mehr Freiheit zu gewähren.
- Hinterfragen Sie: Strukturen verfestigen sich oft über mehrere Jahre hinweg und werden zu einem festen Bestandteil des Alltags. Es kann sich hierbei jedoch um Gewohnheiten handeln, die sich negativ auf Ihre seelische Gesundheit auswirken. Hinterfragen Sie Ihre Verhaltensmuster und Gewohnheiten, um bessere Strukturen in Ihr Leben zu lassen.
- Zielsetzung: Konkrete, erreichbare Ziele helfen Ihnen dabei, den Sinn des Lebens zu spüren. Sie geben Ihnen die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln und über Ihre Grenzen hinauszuwachsen. Persönliches Wachstum trägt zu einem emotionalen Gleichgewicht bei und schafft Bestätigung.
- Fokus auf das Hier und Jetzt: Leben Sie den Moment und versuchen Sie, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Dies hilft besonders dann, wenn eine Reizüberflutung droht, das seelische Gleichgewicht zu durchbrechen.
- Grenzen setzen: Sie müssen lernen, „Nein“ zu sagen, um Ihr psychisches Wohl zu erhalten. Lernen Sie, Ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und sich nicht in den Forderungen Ihrer Mitmenschen zu verlieren, wenn Sie diese nicht mit Ihren eigenen Wünschen in Einklang bringen können.
- Wertschätzung: Die Wertschätzung durch Mitmenschen ist überaus wichtig. Es ist aber auch möglich, sich selbst gegenüber Wertschätzung zu zeigen. In kleinen Details und Zusprüchen, die eine große Wirkung haben.
- Soziale Beziehungen: Ihr soziales Netzwerk ist eine Ihrer wichtigsten Ressourcen. Investieren Sie in Beziehungen, die Sie stärken und fördern. Verabschieden Sie sich hingegen von Menschen, die Ihre seelische Gesundheit gefährden und toxisch auf Sie wirken.
- Engagement: Soziales Engagement bessert das emotionale Gleichgewicht. Wenn Sie sich in Ihrem Umfeld einbringen, dann erhalten Sie Ihre Hilfeleistungen in Form von zusätzlichen Beziehungen und Bestätigungen zurück.
- Wachstum: Legen Sie die Angst vor Veränderungen ab und überlegen Sie, wie Sie über sich hinauswachsen können. Erlernen Sie ein Instrument, widmen Sie sich einem neuen Hobby oder besuchen Sie Fortbildungen, die Ihr Wachstum fördern. Die Möglichkeiten sind sehr vielfältig und lassen sich perfekt auf Ihre persönlichen Vorlieben und Ihre Bedürfnisse abstimmen.
Fazit
Die Psyche des Menschen ist ein komplexes, weitestgehend unerforschtes Gebiet. Aus diesem Grund setzt sich die seelische Gesundheit eines Menschen aus vielen einzelnen Variablen zusammen, die individuell kombiniert werden. Was den einen in Stress versetzt, ist für den anderen ein entspannender Zeitvertreib. Eine pauschale Antwort auf die Frage nach der ultimativen Formel, mit der die seelische Gesundheit eines Menschen aufrechterhalten werden kann, gibt es nicht.
Umso wichtiger ist es, sich des eigenen geistigen Zustands bewusst zu werden und sicherzustellen, dass man sich trotz äußerer Einflüsse und innerer Veranlagungen in einem Gleichgewicht befindet. Dies steigert die Lebensqualität ungemein. Außerdem ist die seelische Gesundheit ein wichtiger Baustein beim Streben nach der allgemeinen Gesundheit von Körper und Geist. Wer sich auf seine eigene Psyche einlässt, der lernt sich von einer gänzlich neuen Seite kennen und ist möglicherweise auch in der Lage, die Ursache für mehrere körperliche Beschwerden zu finden, die seit langem eine Belastung darstellen.